DELIR-NETZWERK E.V.
Wir fördern die interdisziplinäre & interprofessionelle Pflege, Behandlung und Erforschung  des Delirs 

DanA.
Delirintervention im akut-geriatrischen Setting. Ein non-pharmakologischer, teambasierter Ansatz

Standort:
IV Medizinische Klinik/Geriatrisches Zentrum, Universitätsmedizin Mannheim

Setting:
Akutgeriatrie

Zeitraum:
01.10.2018 bis 30.11.2019

Status:
Evaluiert

Schwerpunkt und Inhalt des Projektes:
Das Delirkonzept DanA wurde für vulnerable, ältere Menschen ≥ 65 Jahre (mit und ohne Demenz) und für professionelle AkteurInnen im Akutkrankenhaus entwickelt, erprobt und evaluiert. DanA baut auf einem non-pharmakologischen, teambasierten und personenzentrierten Ansatz auf und adressiert unterschiedliche Bereiche des Delirmanagements (Risikostratifizierung, Prävention, Detektion, Verlaufskontrolle und Therapie des Delirs). Die DanA-Kernintervention fokussiert ein tägliches, strukturiertes Delir-Team-Briefing, um die interprofessionelle Zusammenarbeit und den Teamaustausch im Delirmanagements zu befördern. Die Zielsetzungen waren hierbei, (1) delirgefährdete PatientInnen zu identifizieren, (2) PatientInnen mit Delir frühzeitig zu detektieren und (3) non-pharmakologische Maßnahmen im Rahmen der Delirprävention und -therapie personenzentriert auszuwählen, zu erbringen und zu evaluieren.

Wenn das Projekt bereits implementiert wurde: Wie ist dies erfolgt?
Aufbereitung zur Verfügung stehender externer Evidenz mittels Delirleitlinienanalyse und 3 Vor-studien: Scoping Review I diente zur Identifikation teambasierter Delirkonzepte (Eckstein & Burkhardt, 2019), Scoping Review II zur Identifikation team- basierter Strategien (Eckstein, 2023 in press). Die ExpertInneninterviews dienten zur Erhebung hemmender und gelingender Implementierungs-aspekte (Eckstein & Burkhardt, 2021). Parallele Ent-wicklung von Intervention und Implementierung. Implementierungstheoretische Rahmung: extended Normalization Process Theory (eNPT) (May, 2013; May & Finch, 2009). Umsetzung unter der Methodik der Praxisentwicklung (Garbett und McCormack, 2009). Der Einführung der DanA-Kernintervention „Delir-Team-Briefing“ ging die systematische Einführung von zahlreichen DanA-Interventions-komponenten (Instrumenten und Verfahren) voraus, welche innerhalb eines achtmonatigen Zeitraums (09/2018 bis 05/2019) eingeführt wurden. Deren Zweck und Funktion erstreckten sich auf drei Hauptbereiche: (1) Instrumente und Verfahren zur Informationsverbreitung: MitarbeiterInnen, PatientInnen und Angehörige wurden durch Ver-anstaltungen, Flyer, Informationsmappen und Poster auf DanA vor-bereitet. (2) Instrumente und Verfahren zur Anbahnung delirspezifischer Kompetenzen des geriatrischen Teams: Konzeption von vier interprofessionellen Schulungen. (1) Delir-Basisschulung, (2) Delirscreening, (3) Einführung in die Intervention und (4) Praxisanleitungen in der Versorgung. (3) Instrumente und Verfahren zur Beförderung der Praxisentwicklung: sukzessive Einführung von Interventionskomponenten, die auf ein verändertes Delirmanagement vorbereiteten und auf die Identifikation gefährdeter und Menschen mit Delir sowie auf die personenzentrierte non-pharma-kologische Maßnahmenerbringung abzielten (Etablierung kognitives Screenings, Poster non-pharmakologisches Maßnahmenrepertoires, Delirscreening, Pocketcard, Dokumentationsblatt Screeningergebnisse, Stationsübersicht, Gesprächsleitfaden und Delir-Team-Briefing)

Wenn das Projekt evaluiert wurde: Wie und wann ist dies erfolgt? Welche Outcomes werden benannt?
Die formative und summative Evaluation von DanA erfolgte im Rahmen einer 14-monatigen Interventionsstudie (01.10.2018 bis 30.11.2019) mit Mixed-Methods-Ansatz (mit positivem Ethikvotum). Der PatientInnen-bezogene Wirksamkeitsnachweis der Delirdetektionsrate (primärer klinischer Endpunkt) erfolgte mittels Prä-Post-Design (N = 395). In der DanA-Interventionsgruppe (IG) (n = 212) wurden 17,1 Prozent mehr Delirien detektiert als in der Kontrollgruppe (KG) (n = 183). Unter der binär logistischen Regressionsanalyse zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang (p = 0,031) zwischen Delirkodierung und Erhebungszeitraum. Personen der IG hatten demzufolge eine über doppelt so hohe Chance als in der KG, mit einem Delir detektiert und entsprechend früh behandelt zu werden. Im Weiteren wurde die interprofessionelle Zusammenarbeit und der Teamaustausch im Kontext des Delirmanagements aus Sicht des geriatrischen Teams (N = 36) (Baseline und Follow-up) erfragt. Hier zeichnete sich eine tendenziell verbesserte Zusammenarbeit unter DanA ab. Im Zuge der formativen Evaluation bewertete das Team das Konzept DanA in Bezug auf die nach Procter et al. (2011) definierten Implementierungs-outcomes. DanA erfuhr eine hohe Akzeptanz, wurde in die klinische Routine übernommen und als angemesses, praktikables und zuverlässiges Konzept zur Delirdetektion eingestuft.

Maßnahmen der Nachhaltigkeit (Zukunftsfähigkeit):
Intervention und Implementierung wurden parallel und aufeinander abgestimmt entwickelt. Die einzelnen DanA-Interventionskomponenten in Form von Instrumenten und Verfahren wurden über einen mehrmonatigen Zeitraum sukzessive, systematisch und aufeinander abgestimmt, eingeführt. Dies hat den erfolgreichen Implementierungsprozess nachhaltig befördert und zum Gelingen des intendierten Konzeptziels, d.h. zur Erhöhung der Delirdetektionsrate beigetragen. Durch die vorab investierte Zeit konnte das Konzept DanA ohne erheblichen Zeitaufwand und ohne zusätzliche personelle Ressourcen in die klinische Routine etabliert werden. Das teambasierte Konzept DanA hat nachhaltig dazu beigetragen, dass die einzelnen Professionen im Sinne des interprofessionellen Lernens deutlich mehr von, über und miteinander gelernt und in der Folge als Team gemeinsam zu einem verbesserten Delirmanagement, insbesondere zur Erhöhung der Delirdetektionsrate, beigetragen haben. Die einzelnen Professionen lernten hierdurch sowohl den eigenen als auch den komplementären Beitrag der anderen Professionen im Team wertzuschätzen. Eine ausführliche Veröffentlichung (Dissertationsschrift) zum Konzept DanA erscheint Ende 2023 beim Jacobs Verlag (Lage) unter dem Titel „Delir und Vulnerabilität. Entwicklung, Pilotierung und Evaluation eines non-pharmakologischen Delirkonzepts für ältere Menschen mit und ohne Demenz im Akutkrankenhaus.“ Hierin werden alle Konzeptentwicklungsschritte, DanA-Interventionskomponenten und Implementierungsschritte dezidiert beschrieben, die auch die Möglichkeit zur Replikation des Konzepts bieten. Das Konzept DanA wurde für das akutklinische Setting entwickelt. Es verfügt darüber hinaus über das Potenzial, nach entsprechender settingspezifischer Adaption, dieses auch ins ambulante Setting und in die Langzeitbetreuung zu übertragen.

Gibt es Lessons Learned?
In einer vorbereitenden Übersichtsarbeit zu DanA zeigte sich, dass die in der Literatur beschriebenen Delirkonzepte zumeist mit bildungsbasierten Strategien bzw. mit Schulungen verknüpft waren. Von den 25 eingeschlossenen Konzepten berichteten 19 AutorInnen bildungsbasierte Strategien zu nutzen. Diese unterschieden sich stark in Häufigkeit, Dauer und Inhalt. Von diesen 19 Konzepten konzentrierten sich acht alleinig auf den nach Miller (1990) definierten Kompetenzlevel I „Knows“ (Regelwissen). Das war einerseits überraschend, weil sich das komplexe Thema des Delirs, nicht ausschließlich durch, wenn auch notwendiges, Regelwissen erschließt. Andererseits war dies auch wiederum nicht überraschend, weil es der gängigen Praxis im Gesundheitswesen entspricht, Wissen möglichst zeitökonomisch „vermitteln“ zu wollen. Dies mag häufig daran liegen, weil den verantwortlichen Personen schlichtweg der pädagogische Hintergrund fehlt. Aus pädagogischer Sicht und vor dem Hintergrund lernpsychologischer Erkenntnisse ist hinlänglich bekannt, dass eine reine Wissensvermittlung nur bedingt zu nachhaltigem Lernerfolg führt. Wissensvermittlung alleine ist nicht genug. Insbesondere nicht bei einem so komplexen Thema wie dem Delir. Die restlichen elf Konzepte, die in die Übersichtsarbeit eingeschlossenen waren, adressierten zusätzlich den Kompetenzlevel II („Knows How“), d.h. den Erwerb von Handlungskompetenzen, bspw. durch das praktische Üben des Delirscreenings. Lernlevel III („Shows How“) im Sinne eines fallbezogenen und reflexiven Lernens wurde in sechs Konzepten beschrieben. Der höchste Kompetenzlevel IV („Does“) wurde von fünf Konzepten durch das Lernen in realen beruflichen Situationen fokussiert. Die Erkenntnisse dieser Übersichtsarbeit waren handlungsleitend für die Konzeption der DanA-Schulungen, in der alle vier Kompetenzlevel berücksichtigt wurden.